Kennen sie das Gefühl in einem Film zu sein? Das Gefühl von Unwirklichkeit? Das Gefühl beobachtet zu werden? Es gibt Orte die können so etwas auslösen. Orte wo viele Spuren von Leben sind, aber dennoch tot sind. Orte, die einen glauben lassen man sei der einzige Überlebende eines radioaktiven Fallout. Seit langem habe ich wieder einmal so einen Ort in wien entdeckt - Fontanastraße 1.
Die Sonne ist schon fast weg. Dennoch, die Luft ist schwül, es ist stickig heiß. Ein heißer surrender Sommerabend im August liegt über den Äckern von Oberlaa. In nicht allzu weiter Ferne steigen im Minutentakt Flugzeuge in den Himmel. Die meisten davon sind Flieger der Austrian Airlines.
Das wirtschaftlich und medial gebeutelte Unternehmen hat ihre Zentrale am Flughafen Schwechat. Klingt einleuchtend. Jedoch ist das erst seit Kurzem so. Bis ins Jahr 2007 befand sich die Konzernzentrale hier in Oberlaa. Es sind nur ein paar Schritte zur Therme und zum Kurpark. Die Luft ist von Schwefelgestank erfüllt.
Hier steht es. Das Ufo. Erbaut in den 1970er Jahren als moderner eigenwilliger Bau diente es als Arbeitsplatz von mehreren hundert Aua-Mitarbeitern. Heute, 2010, steht das Gebäude seit 3 Jahren leer. Die Fontanastraße endet hier in einem Busumkehrplatz, der nicht mehr gebraucht wird. Die Buslinie wurde eingestellt. Rote Pflastersteine zieren den Vorplatz des ehemaligen Aua Hauptgebäudes, aus allen Ritzen wächst Gras. Ein toter Vogel bewacht den Eingang. Die heiligen drei Könige waren auch da.
Ich werde neugierig. Der Efeu überwuchert bereits Teile der Fassade. Moos und Spinnweben zieren die Türen und Fenster. Ich will mehr sehen von diesem ruhenden Giganten!
Ich beschreite die Lieferantenstraße Richtung Tiefgarage. Ich werde etwas nervös, ein alte surrende Videokamera vor dem geschlossenen Garagentor. Dahinter, Licht.
In der Einfahrt brennt Licht, Schreibtische stehen neben der Fahrbahn, Bürostühle liegen herum. Ich gehe weiter zur Rückseite des Gebäudes. Unkraut überall. Selbst die Straße wurde schon vom Unkraut eingenommen. An der Rückseite eine Treppe. Auch diese, vollkommen von Efeu zugewachsen das Sicherheitstor versperrt und verrostet. Ich kämpfe mich durchs hohe Gras an der Rückseite weiter. An der Nordseite Zeichen von Leben!
Büromöbel, Computer, Werkzeuge, Plakate, Getränke,... Ja hier wird offensichtlich gearbeitet. Ich klettere durch Büsche um genauer zu sehen was da drinnen passiert. Ich drücke mein Gesicht gegen die dreckigen Fenster. Es sieht nach Baustelle aus. Moment! Nein. Staub. Alles ist mit einer dicken Staubschicht überzogen. Überall tote Fliegen. Die Getränke sind nur ausgetrocknete Becher. Der Computer scheint bereits mehrere Jahre nicht benutzt worden zu sein.
An den Wänden hängen Plakate von Flugzeugen, Traumstränden und Niki Lauda. Auch hier kein Leben. Es wird dunkel. Ich beschließe zu gehen.
Kurz bevor ich hinter der Kurve verschwinde drehe ich mich ein letztes Mal um. Da oben. Im dritten stock. Es brennt Licht. In einem einzigen kleinen Büro. Mir stockt der Atem. Die Nackenhaare stellen sich auf.
Wer hat in einem komplett leeren Gebäudekomplex ein Büro? Ich muss zurück. Ich will wissen warum dort Licht brennt. Ich gehe zur Eingangstür und klopfe. Keine Antwort. Ich hämmere dagegen. Keine Antwort.
Es ist dunkel. Ich gehe ein paar SChritte zurück. Das Licht brennt immer noch. 3 Leuchtstoffröhren. Leicht flackernd.
Hinter mir schleicht eine Dame vorbei. Ihr Hund hinterher. "Wissen sie zufällig ob es hier schon einen neuen Besitzer gibt?" "Nein, das gehört noch immer der Aua" sagt sie ohne mich anzusehen. "Aber dort oben
brennt Licht!" sage ich etwas nervös. "Dort brennt seit 3 Jahren Licht."
Kaltschreis - 13. Aug, 15:08